Stell dir vor
Stell dir vor

Stell dir vor

Stell dir vor, es passiert etwas.

Es war ein rauer Morgen, der sich lautlos an die letzte Nacht angeschlossen hatte. Es war einer dieser vielen Abende, an denen Dinge zur Sprache kamen, die dem einen nicht schnell genug und der anderen zu schnell geregelt wurden. Es war einer dieser Abende, an denen nicht klar gesagt wurde, was dahinter steckte, an denen niemand verstand, worum es wirklich ging und die Worte wahl- und ziellos durch die Räume geworfen wurden. Manchmal prallten sie an den Möbeln zurück, manchmal trafen sie jemanden. Es war einer dieser Abende, an denen es nie das letzte Wort gab, sondern immer nur das nächste.

Am nächsten Morgen holte sich dann der Alltag die restlichen Gedanken und Ausdrücke. „Bis später“. Ja, vielleicht bis später. Ich weiß es noch nicht.

Später dann stand sie an der Straße, an dem sein Fahrrad gefunden wurde. Sein selbstgebautes, an dem er mit so großer Sorgfalt die Speichen ins Lot gebracht hatte, bis der Reifen wieder rund war, bis die Spannung in jedem einzelnen Stäbchen gleich war. Sein grünes Rad. Als ob es dorthin gehörte, in den Graben neben der Spur.

Sein grünes Rad, das war alles, woran sie dann noch denken konnte, als sie wieder nach Hause fuhr. Nach Hause. Sie fuhr einfach weg von diesem Ort, von dem Rad, von den Speichen, von der Spannung, von dem letzten Ort. Bis später, als wäre es ein Versprechen gewesen, das nicht gehalten wurde.

Sie schrieb: „Sehr gerne wäre ich ein Teil eures Lebens geworden, weil ich ein Teil seines Lebens war und er ein Teil von meinem. Ich habe oft davon geträumt, dass ich mit euch rede und dass wir gemeinsam essen und kochen und Plätzchen backen oder den Wellen auf dem Fluß nachsehen, als ob sie aus der Ferne nicht mehr zurückkommen würden. Zwei Jahre habe ich neben euch gelebt, ohne euch zu kennen, ohne euch jemals zu sehen, ohne eure Wärme spüren zu können. Doch ich bin hier, auch jetzt. Ich war ein Teil, ich bin ein Teil. Ich habe alle Sachen hier, die uns ausmachen, aber ich darf nichts sehen, nichts sagen, nichts beschließen, nichts tun. Ich bin, war die nächste Person in seinem Leben, in seinem Denken, in seinen Räumen. Ich war die Stütze und die Mauer, die Falltür und das Kissen, die Schulter und der Arm, der Mund und der Stock. Ich war hier. Ich bin hier. Wenn ihr mich sucht, ich bin hier. Und empfange euch mit offenen Armen und Herzen, so wie er es in jedem Moment gemacht hat. Wenn ihr ihn sucht, so werdet ihr ihn in mir finden. Ich habe kein Recht dazu, aber ich stelle mir vor, dass ich euch die Brücke zu ihm sein kann. Denn ich bin hier.“

Stell dir vor, es passiert etwas.

Dann bin ich niemand.